Corona und Zahnärzte

Korona Desinfektion

Warum die Politik den Zahnärzten in Zeiten von Covid 19 eine lange Nase zeigen kann.


1. Bereits bei Einführung des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) zum 01.01.2001 fanden die Zahnärzte keine Erwähnung im § 1 (Zweck des Gesetzes). Hier heißt es in Abs. 2 „Die hierfür notwendige Mitwirkung und Zusammenarbeit von Behörden des Bundes, der Länder und der Kommunen, Ärzten, Tierärzten, Krankenhäusern, wissenschaftlichen Einrichtungen sowie sonstigen Beteiligten soll entsprechend dem jeweiligen Stand der medizinischen und epidemiologischen Wissenschaft und Technik gestaltet und unterstützt werden. Die Eigenverantwortung der Träger und Leiter von Gemeinschaftseinrichtungen, Lebensmittelbetrieben, Gesundheitseinrichtungen sowie des Einzelnen bei der Prävention übertragbarer Krankheiten soll verdeutlicht und gefördert werden.“ Die Zahnärzte werden nicht erwähnt. Auch in der amtlichen Begründung heißt es „…  insbesondere davon abhängt, dass die Anstrengungen des ÖGD – dazu gehören insbesondere Gesundheitsämter und Medizinaluntersuchungsämter –, die niedergelassenen Ärzte aller Fachrichtungen, Krankenhäuser, wissenschaftlicher Einrichtungen und sonstiger Beteiligter durch das eigenverantwortliche Handeln …“ Im Infektionsschutzgesetz werden Zahnärzte erst viel später aufgeführt:


1. § 36 (Einhaltung der Infektionshygiene) in Abs. 2:


Zahnarztpraxen sowie Arztpraxen und Praxen sonstiger Heilberufe, in denen invasive Eingriffe vorgenommen werden, sowie sonstige Einrichtungen und Gewerbe, bei denen durch Tätigkeiten am Menschen durch Blut Krankheitserreger übertragen werden können, können durch das Gesundheitsamt infektionshygienisch überwacht werden.


2. § 45 (Ausnahmen von der Erlaubnispflicht für Tätigkeit mit Krankheitserregern):


„Einer Erlaubnis nach § 44 bedürfen nicht Personen, die zur selbständigen Ausübung des Berufs als Arzt, Zahnarzt oder Tierarzt berechtigt sind, für mikrobiologische Untersuchungen zur orientierenden medizinischen und veterinärmedizinischen Diagnostik mittels solcher kultureller Verfahren, die …“


3. § 47 (Versagungsgründe, Voraussetzungen für die Erlaubnis nach § 44):


Abs. 4: Bei Antragstellern, die nicht die Approbation oder Bestallung als Arzt, Zahnarzt oder Tierarzt besitzen, darf sich die Erlaubnis nicht auf den direkten oder indirekten Nachweis eines Krankheitserregers für die Feststellung einer Infektion oder übertragbaren Krankheit erstrecken. 

Satz 1 gilt nicht für Antragsteller, die Arbeiten im Auftrag eines Arztes, Zahnarztes oder Tierarztes, die im Besitz der Erlaubnis sind, durchführen.


4. In der amtlichen Begründung laut Bundestagsdrucksache 14/2530 auf Seite 39:


… Die Gesundheitsämter werden darüber hinaus ermächtigt, Zahnarztpraxen, Arztpraxen und Praxen sonstiger Heilberufe, in denen invasive Eingriffe vorgenommen werden, sowie Einrichtungen und Gewerbe, in denen Tätigkeiten am Menschen vorgenommen werden, bei denen die Gefahr der Übertragung von Krankheitserregern besteht, infektionshygienisch überprüfen zu können.


5. In der amtlichen Begründung zu § 36 (Einhaltung der Infektionshygiene) zu Abs. 2:


„Da in Zahnarzt- und bestimmten Arztpraxen, Praxen sonstiger Heilberufe sowie bei weiteren dort genannten Tätigkeiten (z. B. Tätowierung, Piercing) Handlungen vor genommen werden, die ein Infektionsrisiko mit sich bringen, wird dem Gesundheitsamt die Möglichkeit der infektionshygienischen Überwachung dieser Einrichtungen eingeräumt. …“


6. In der amtlichen Begründung zu § 45 (Ausnahmen von der Erlaubnispflicht für bestimmte Personen, Einrichtungen und bestimmte Arbeiten) in Abs. 1:


…Entscheidend für die Formulierung der Vorschrift ist die Absicht des Gesetzgebers, dem niedergelassenen Arzt, Zahnarzt oder Tierarzt bestimmte Arbeiten in der eigenen Praxis erlaubnisfrei zu ermöglichen, um schnelle Diagnosen und Therapien sowie kostengünstige Verfahren nicht zu behindern. Dabei handelt es sich nur um Arbeiten, von denen aufgrund der Sachkunde der im Gesetz genannten Personen und der für die Arbeiten erforderlichen Ausstattung keine Gefahr für die Bevölkerung ausgeht.

Damit sind auf den spezifischen Nachweis von meldepflichtigen Krankheitserregern gerichtete Tätigkeiten für alle auf diesem Gebiet Tätigen, also auch für Ärzte, erlaubnispflichtig.“


Der Deutsche Bundestag hat am 27.03.2020 das Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite erlassen und dabei auch Änderungen im Infektionsschutzgesetz, im Gesetz zur Durchführung der internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV von 2005), dem SGB (Betriebswirt die federführende Datenschutzaufsicht hinweg Versorgung- und Gesundheitsforschung) und Baugesetzbuch (Errichtung von Notkliniken) vorgenommen. Das Wort Zahnärzte etc. findet sich im gesamten Gesetzestext nicht. Es gibt immer noch Zahnmediziner, die glauben systemrelevant zu sein. Ausweislich der Gesetzestexte sind sie es bei Leibe nicht. Daran ändert auch das Gestammel eines grünen Gesundheitsministers in Baden-Württemberg nichts, wenn er Anordnungen der Landesregierung verbal relativiert. Es wird auch nicht helfen, wenn jetzt in Bayern Zahnärzte in sogenannten Schwerpunktpraxen die Versorgung von Covid-19-Patienten durchführen; hier ging es bei der Katastrophenplanung (geht das überhaupt?) ausschließlich um lebenserhaltende Maßnahmen. Sehr intelligent könnte das in den Landkreisen gelöst werden, in denen leerstehende Praxisräume für die zahnärztliche Versorgung rekrutiert werden, denn „normale“ Patienten werden eine zwangsweise errichtete „Katastrophenpraxis“ nach der Epidemie nicht mehr aufsuchen, denn der Virus kann ja immer noch in jeder Ecke sitzen. 

Ich wage die Behauptung, dass die gesamte Zahnheilkunde wieder viele Jahre brauchen wird, bis sie das kümmerliche Volumen vor Covid-19 erreichen wird. Auch das Behandlungsspektrum wird sich massiv verändern, schon alleine deswegen, weil das Geld der Patienten den Weg in anständige zahnärztliche Versorgung alleine wegen der fehlenden Quantität so schnell nicht finden wird. Das Urlauberland Deutschland muss sehr viel nachholen; Zähne sind der häufig nicht systemrelevant und nachrangig (wie die Zahnärzte in der Versorgung mit Schutzausrüstung).


Wer hat geschlafen? Wer hat das wieder mal verpennt? Das Infektionsschutzgesetz kam 2001, die Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) stehen seit 2004 im SGB V … Die zahnärztliche Standesführung wird damals wie heute von den gleichen standespolitischen Gruppierungen - ja häufig damals wie heute von den gleichen Köpfen - gestaltet. Wundert man sich da? Genauso wenig zielgerichtet, wie die Ablehnung von MVZ-Anzeigen in den zahnärztlichen Zeitschriften, ist das geistige Ausblenden von Covid-19-Problem in vielen standespolitischen Köpfen. Wer jeden Monat eine mehr als auskömmliche Apanage erhält, braucht sich doch nicht um die banalen Angelegenheiten der Kollegen kümmern. Nicht einmal aus Anstand verzichtet man auf den prozentualen Teil der „Aufwandsentschädigung“, auf den jeder bohrende Kollege in der Praxis verzichten muss. Warum auch? 

Gesund bleiben!


Dr. Eberhard Siegle, LL.M.



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